Foto: Saskia-Marjanna Schulz |
Bei den
Lehrer*innen ist das ganz einfach. Bei den Ärzt*innen und Jurist*innen auch:
Sie konzentrieren sich auf ein Spezialgebiet und sind dann Mathe-Lehrerin,
Zahn-Arzt oder Scheidungs-Anwalt.
In anderen
Berufen tun sich manche Menschen schwer mit der Konzentration auf „nur“ ein
Thema. Ich bin dieser Frage in den letzten Jahren immer wieder nachgegangen – und
habe hier ein Zwischenergebnis.
Diese
Menschen sagen:
· Ich
habe zu viele Interessen als dass ich mich konzentrieren könnte.
· Ich
traue mir nicht zu, ein Thema für mich zu reklamieren und dann „Expert*in für
Wasser“ oder „Friseur*in nur für das Färben“, „Trainer*in für Senior*innen“ zu
sein.
· Ich
bin Perfektionist*in und brauche bestimmt 20 Jahre, um mir ein Thema erarbeitet
zu haben.
Nehmen wir
die erste Gruppe: „Habe zu viele Interessen“. Schön, vielleicht sind Sie
hochbegabt. Viele Hochbegabte haben „viele Interessen“. Ich empfehle Ihnen dann
diesen Artikel mal zu lesen
http://autorinhochbegabung.blogspot.de/2016/11/wie-finde-ich-heraus-ob-ich-hochbegabt.html
– mag sein, dass er Ihnen weiterhilft
Allerdings
möchte ich noch einen Augenblick bei dieser Gruppe verweilen. Möglicherweise
fahren Sie hin und wieder in Urlaub. Wie leicht fällt es Ihnen, sich für einen Ort,
ein Land, einen Landstrich zu entscheiden? Wie ist es Ihnen gelungen, zu sagen:
ich will nach Mallorca, an die Ostsee oder nach Barbados? Ist es wirklich das „Problem:
viele Interessen“? Oder kann es sein, dass die Entscheidungskraft bei diesem Thema
aussetzt? Und wenn „ja“ – warum?
Alle, die
meinen, nicht ein Thema für sich reklamieren zu können – und „Expert*in für
Wasser“ oder „Friseur*in nur für das Färben“ oder „Trainer*in für Senior*innen“:
Ja. Das ist auch in Ordnung. Gleichwohl: Ich habe Experten für Wasser, einen
Friseur „nur für Farben“ und auch einen Trainer für Senior*innen kennengelernt.
Nach vielen Gesprächen hatte ich den Eindruck, sie waren sehr stolz auf ihre
Arbeit, fühlten sich wohl und hatten nicht den Anspruch nun ALLES über dieses
Gebiet zu wissen – allerdings schon einen Teilabschnitt. Und auch das ist
möglich: Trainer für (männliche) Senioren, die ehemals selbst Selbstständige
waren, zu sein. Experte für Rhein-Wasser zu sein., Farb-Friseur ausschliesslich
für Frauenhaare – und auch nicht für Wimpern – zu sein. Es hat sehr viel damit
zu tun, was man/frau will – und kann. Es hat viel damit zu tun, zu sich zu
stehen. Die gute Nachricht: „Zu sich zu stehen“ ist erlernbar!
Nun zu den
Perfektionist*innen. Sehr oft sind Hochbegabte an Perfektion interessiert. Weil
sie perfekt sein können? Weil sie Schlamperei hassen? Weil sie Perfektion als
Respekt vor sich und anderen verstehen? Wer sich 20 Jahre gönnen mag, um diese
Spezialisierung zu erreichen – warum nicht?
Im Grunde
genommen geht es um Wertschätzung. Sich selbst und anderen gegenüber. Und wer
diesem Weg der Selbstwertschätzung folgt, wird eines Tages wissen, ob er ein
Thema für sich finden mag – oder nicht.
Manchmal
kommen andere Menschen ja schon mit einer Zuschreibung daher. Als ich einmal
gefragt wurde, was ich beruflich mache – sagte ich: Ich bin Coach. Ich arbeite
mit hochbegabten Erwachsenen. Darauf sagte meine Gesprächspartnerin: Oh, wie
interessant! Das habe ich ja noch nie gehört: „Ein Coach für Hochbegabte!“.
Lilli Cremer-Altgeld